Pressetext:
In den fotografischen Arbeiten der Serie fadetogrey (pre-war) untersucht die Künstlerin die heutige digitale Bilderflut und Ihre Existenzbedingungen. Schleichend und für viele Menschen unbemerkt ist in den letzten Jahren die Abhängigkeit von IT-Infrastrukturen und wenigen Konzernen kontinuierlich gewachsen. Hacker und Geheimdienste bedrohen mit ihrer Schadsoftware zunehmend unsere Transportsysteme, unsere Energie- und Wasserversorgung, den Finanzverkehr, ja selbst politische Wahlen. Es heißt, der nächste Krieg finde in den Leitungen statt.
Hier setzt Yutta Bernhardt mit ihren Untersuchungen an. Durch Manipulation der Stromzufuhr inszeniert sie den potentiell zu erwartenden „show down“ auf analoge Weise selbst, lässt digitale Bilder aus der Medienflut zusammenstürzen und dokumentiert mit ihrem Fotoapparat die nur Sekunden währende finale Pixel-Agonie. Es entstehen bestürzend schöne Bilder, teils mit erstaunlich malerischer Wirkung, teils mit fast verschwundenen Konturen in vielfarbigem Lichtgrau (fadetogrey), die von der Künstlerin in diesem Prozess nicht kontrollierbar sind und nicht nachbearbeitet werden.
Den Stecker ziehen ist, so gesehen, also die letzte Möglichkeit eines analogen Zugriffs auf das digitale Bild, vielleicht auch eines analogen Protestes gegen die Allgegenwärtigkeit des Digitalen im Zeitalter des Überwachungskapitalismus (Shoshana Zuboff) . „Es geht mir um den gegenwärtigen Umgang mit Bildern, um Macht und Ohnmacht, um Kontrolle bzw. deren Verlust, um die Möglichkeiten des Bewahrens und Zerstörens “, sagt Bernhardt.
Der in den Fotografien sichtbar werdende Skepsis gegenüber der Allmacht des Digitalen entspricht ihre händische Feier zeichnerischer Unmittelbarkeit. „Zeichnung hat mich all die Jahre fasziniert und ist bis heute mein bevorzugtes Medium. Mit den Händen hinein in die Materie! Das hingebungsvolle und lustvolle Spiel mit Graphitstaub, Kohle oder Pigmenten ist …für mich unverzichtbar.“ Der zweite Teil der Ausstellung dokumentiert diese wichtige Seite ihres Schaffens mit Serien wie „Zeichen finden“ (mit Anklängen an Strukturen der Biotechnologie) oder „Variationen zu Google´s Quantencomputer“.
Vita:
Yutta Bernhardt, geb. 1961 in Hessen, lebt und arbeitet in München.
Seit 1990 wurden ihre Rauminstallationen, Performances, Zeichnungen und Fotografien national und international mit über fünfzig Einzel- und Gruppenausstellungen gewürdigt, darunter renommierte Ausstellungshäuser und Galerien in New York, Paris, Berlin, München, Wiesbaden und Frankfurt.
Sie hat in München Kunst-am Bau-Projekte realisiert, diverse Auszeichnungen und Kunstpreise erhalten, nebenbei einen Off-Space betrieben und Künstler-Kuratorien für international besetzte Ausstellungsreihen übernommen. Ihre Arbeiten sind in internationalen Sammlungen vertreten.
Sie studierte Kunstpädagogik, Hauptklasse Graphik Prof. Schütz (Abschluß mit Auszeichnung) und Politik an der Goethe-Universität Frankfurt, vertiefte ihre Kunstausbildung an der Städel-Abendschulde sowie bei Art New England, Bennington College of Fine Arts, Bennington (Vermont), USA bei Ruth Fields.